Wut ist feministisch, heißt es ja. FLINTA haben ja seit jeher gelernt, nicht wütend zu sein. Anstatt sich laut, impulsiv und eindrucksvoll Luft zu verschaffen, wurde gelernt, die Wut ausdruckslos im Raum schweben zu lassen, bis sie verpufft. Stattdessen wurde sich lieber durch hypnotisches Socken stopfen, Malen oder Soßen umrühren in einen Trance- artigen Funktionszustand der ungefährlichen Gleichgültig- und Gefälligkeit versetzt. So haben FLINTA gelernt, ihre berechtigte Wut aus dem Bewusstsein zu nebeln und in ihrem Körper anzulagern, wo sie sich langsam ausbreitet um mehr und mehr Raum einzunehmen, bis der ganze Körper voll davon ist. Das liegt natürlich nicht daran, dass wir schon immer blöd und masochistisch sind, sondern daran, dass der aufbrausende Ausdruck von Wut für FLINTA lange als lebensgefährlich galt (Stichwort Hysterie, Hexenverfolgung, Zwangs-Medikamentarisierung, „Zuchthäuser“) und teilweise immer noch ist.
Es ist also wichtig und bekannt, dass FLINTA richtig wütend sind. Sich die Wut zurückholen. Richtig aufbrausen und zerstören, so wie die, nach FLINTA benannten Stürme in Amerika.
Um das extrovertierte Wüten zu üben, empfiehlt sich das künstliche hineinversetzen in eine Wut schürende Situation. Dafür empfehle ich, ganz klassisch, die telefonische Auseinandersetzung mit einer Behörde. Hierbei können unterschiedliche Level an Wut angepeilt werden.
Level eins 🔥 : Bank und Krankenkasse. Zunächst ganz locker: Die entsprechende Telefonnummer ist schnell gefunden, die Anrufende ist schon beim Wählen ein bisschen stolz, dass sie sich kümmert, ihr Leben am Schopfe packt. Dann kommt die sehr langwierige elektronische Navigation und das mehrfache eingeben von Zahlen in das Zifferblatt des Telefons. (Hier trennt sich natürlich die Spreu vom Weizen, was den sogenannten Geduldsfaden angeht. Der kann nämlich hier schon gerissen sein, während er sich bei anderen Anrufenden eher langsam aufspannt.) Dann landet die Anrufende endlich in einer nervtötenden Warteschleife. Die hierfür eingesetzte Musik dient dem bloßen Zweck, während des Wartens nicht einzuschlafen oder das Telefon zu verlieren. Schließlich erfolgt ein Telefonat, in dem die Ansprechperson der Anrufenden erklärt, dass ihr Anliegen jetzt nicht einfach am Telefon gelöst werden könne. Sie solle sich doch die App herunter laden, da könne sie easy peasy alles regeln. Und dann muss sie natürlich einen schriftlichen Antrag stellen. Per Mail? Haha! Per Post natürlich. Die Dringlichkeit des Anliegens spielt dabei keine Rolle. Dazu kultiviert die Ansprechperson jedoch eine freundliche Grundstimmung, in der keine der Beteiligten so richtig „Schuld“ tragen kann. Schließlich verfügt ihre Behörde über Konto oder Gesundheit der Anrufenden; das Verhältnis gilt aufrechterhalten zu werden. Im Besten Falle finden beide Seiten der Telefonleitung gemeinsam zu einer Einigung. (Der Erfahrung nach aber eher nicht. Die Anrufende kämpft sich sooft durch die Warteschlange, bis sie eine Person an den Apparat bekommt, die sagt: „Kein Problem. „Klick“, schon erledigt.“)
Level zwei der Wut schürenden Institutionen 🔥🔥: Die Deutsche Bahn. Da kann am Schalter richtig streiten geübt werden.
Level drei🔥🔥🔥: Das Arbeitsamt. Das Arbeitsamt ist der Endgegner. Beim Arbeitsamt ist die Antragstellerin die feindliche Eindringende, die unbedingt daran gehindert werden muss, dass Amt seiner Leistungen zu berauben. Jeder Antrag wird sabotiert, jedes eingesendete Dokument wird verloren oder geleugnet. Der Antragstellerin wird fiktives Vermögen angedichtet und auf imaginären Kindern beharrt. Zudem wird zwischen den vier Kommunikationswegen; online Portal mit digitalem Zugang, persönlicher Vorladung, Telefonat und postalischem Schriftverkehr, so wild herum jongliert, dass die Antragstellerin Kopf und Geduld verliert und sich ihrer Misere ergibt. Auf der anderen Seite sitzen unterschiedliche Abteilungen zwischen haushohen Aktenstapeln, denn selbst die digitale Wende kann das Arbeitsamt nicht erreichen. Über den Papierkram, sowie über die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen wird jeglicher Überblick und Kontakt verloren. Die ganzen eingehenden Briefe verrotten systematisch auf den labyrinthischen Fluren, bis alle Fristen überschritten sind. Hat die Anrufende eine Ansprechperson am Apparat, ist es immer die Falsche. „Also dafür sind wir hier gar nicht zuständig.“, wird sich empört. Sie wird mehrfach weitergeleitet und wenn sie in der entsprechenden Abteilung angelangt ist kommt die punchline: „Also hier sind mir jetzt echt die Hände gebunden.“, und sie wird gebeten doch erstmal den Antrag zu stellen, den sie ja vor Monaten schon mal gestellt hat, allerdings auf anderem Weg. Dann kocht der Puls über. Die Anruferin sollte schleunigst das Gespräch beenden und Bäume ausreißen.
Level 4 ist Rage 🔥🔥🔥🔥: Die bekommt man gratis in der Servicehotline vom Finanzamt. Das Finanzamt behandelt die Anruferin, als übe sie einen Telefonstreich. Sie wird auch gern höhnisch ausgelacht und es wird so demonstrativ der Kopf geschüttelt, dass man es durch’s Telefon hindurch hören kann. Ihr wird versichert, dass ihr wirklich nicht zu helfen sei, und was sie sich denn vorstelle. Als Totschlagargument wird dann ihre Existenz geleugnet. Rage!!
Die ultimative Wut Therapie ist dann nur noch die Arbeit beim Finanzamt selbst, wo einen ja echt die letzten Trottel immer anrufen, nur um zu nerven. Die Angestellten scheinen ihr Temperament professionalisiert zu haben.
An alle Gäst*innen, die in einer genannten oder verwandten Behörde arbeiten; ich kritisiere nicht euch, sondern eure Arbeitsbedingungen, die dazu führen, dass alles immer so kompliziert ist und halt wütend macht!
🔥 Xoxo 🔥

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