Liebe Stammgäst*innen des Roten Salons, Passierende und Neugierige,
wo auch immer Sie gerade sitzen oder liegen, halten Sie sich gut fest denn in diesem Beitrag stelle ich Ihnen das Konzept der Weinmesse vor. Eine völlig unterschätzte Unternehmung, die Ihnen die Socken ausziehen könnte! Es handelt sich dabei um ein Event für jede Gästin, die gerne mal ein Gläschen Wein trinkt und Lust hat auf Urlaub ohne Anreise. Ich habe das Konzept Weinmesse für Sie getestet und nehme Sie mit dem folgenden Beitrag mit, in die üppigen Reben der Bremer Messehalle 15.
Neulich war ich zum ersten Mal auf einer Weinmesse, dem Volksfest hinter verschlossenen Türen; Dem Oktoberfest der Bourgeoisie! Die Teilnahme an diesem kultivierten Besäufnis mit Spucktöpfen bedarf lediglich einer online Anmeldung und schon ist der Weg geebnet. Am Eintritt wird sich bereits um unser körperliches Wohl gekümmert; jede:r Trinker:in bekommt eine einzeln verpackte Scheibe Graubrot mit auf den Weg und die Bergkäsewürfel-Student:innen füttern uns, Bordeaux rote Schürzen tragend, freundlich lächelnd mit Bergkäsewürfeln. Wir gehen rein.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf der Dekoration der Messehalle liegen. Es wird sich jede Mühe gegeben, den natürlichen Witterungen des norddeutschen Winters mit riesigen, in den Höhen der Halle schwebenden Bannern zu kontern, auf denen stark kontrastierete und romantisch eingeleuchtete Weinberge sich unter strahlend blauem Himmel in ewige Weiten erstrecken. Die einzelnen Weinstände werben ebenfalls mit Bannern und Aufstellern, von denen kernige Winzer:innen, mit den Händen bis zu den Ellbogen in ihren Träubchen versunken, einladend auf die Trinkenden herab lächeln. Nach einigen Gläsern der gegorenen Traube, wird die geografische Wahrheit der unmittelbaren Nähe zum Bremer Hauptbahnhof, erfolgreich verdrängt und es wird sich in exotischen Weinbergen gewähnt.
Wir toben lachend durch die Reben und dekorieren uns mit Trauben, die auf unseren Köpfen gären, sodass wir uns den Wein einfach in die Münder fließen lassen. Um uns herum sitzen Familien und Verliebte auf ihren karierten Picknickdeckchen zwischen ihren Weinflaschen, lassen die Hunde grasen und spielen Boule oder verzaubernde Instrumente wie Flöte oder Harfe. Durch unser aller Adern fließt der Wein, wir sind eingelullt in die kommerzielle Illusion der fernen Weinberge.
Bemerkenswert sind außerdem die Namen einiger Weingüter, die scheinbar auf die Nachnamen der Guts gründenden Winzer:innen zurückzuführen sind. Besonders heraussticht so das Weingut „Geil“, dass neben dem geilen Wein auch gackige Sticker wie „Save Water, Drink Wine“, bewirbt. Auch sehr treffend; Weingut „Rausch“, „Blass“ und Winzerei „Zelt“, um sich mal kuschlig am Counter anzulehnen.
Doch wie bewegt sich, nicht am tatsächlichen Kauf von Weinflaschen interessierte sondern eher trinkfreudige Gruppe, auf der Weinmesse, fragt sich die angehende Weinmessen Besucherin.
Zunächst wird der Messestand mit dem überzeugendsten Namen angesteuert, dessen Typografie weinselig über das werbende Banner schwenkt. Im Falle unseres Messebesuchs handelte es sich natürlich um Winzerei Geil.1
Hier schwenken wir vorfreudig unsere Gläser, und tun kund, dass wir sehr interessiert daran sind, einen Wein zu probieren. Wir starten zunächst mit einem lecker trockenen Rosé, der sich wie eine frische Saftschorle meinen Rachen herunter perlt. Von unserem Enthusiasmus befeuert entkorkt der Ausschenker direkt noch eine Flasche Cabernet Sauvignon. Wir schwenken den Wein etwas in unseren Gläsern umher, dann analysiert Phillip „Für mich riecht der Wein nach Litschi.“. „Exakt!“, ruft der Verkäufer begeistert. „Bei Cabernet Sauvignon muss man einfach immer sagen, der rieche nach Litschi.“, erklärt Phillip uns später den alten Weinmessen Trick. Der Smalltalk mit den Verkäufer:innen nimmt von Stand zu stand immer mehr ab, und als wir schließlich bei „Rausch“s angelangt sind, bestellen wir wie in der Kneipe „den Schaumwein bitte.“, und strecken unsere Gläser vor. Zum Abschied wird genickt, wir trinken den 2 go.
Nachdem wir mehrere Stunden lang, mit regelmäßiger Bergkäsewürfel Fütterung, die Messehalle durchkreist haben, verlasse ich selig umlullt die Gruppe. Mich zieht es weiter, der Wein in meinem System feuert mich an. Ich gebe mein Glas am Ausgang wieder ab und radle den Weinberg hinunter, der untergehenden Sonne entgegen.
„Maus zu sein ist eine Lebenseinstellung“ steht auf meinem angesagten Shirt (von Humorspezialist:in „Gustaver der Liebe“ aus dem Online Shop), was wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass uns so lieb eingeschenkt wurde und wir so viele Käsewürfel bekommen haben.



hier haben wir Fritz‘ Doppelgänger gefunden! Die beiden sind heute unzertrennlich..
- Nicht zu verwechseln mit den Verkaufsstand der anderen Winzerei „Geil“, den wir viel später entdecken. „Gehören Ihre beide Stände zusammen?“, frage ich die Verkäuferin der zweiten „Geil“s. „Das sind die Nachbarn.“, antwortet die Verkäuferin knapp. Ihrer, sich verhärtenden Körpersprache und Mimik nach zu urteilen, vermute ich ein tragisches familiäres Zerwürfnis, zwischen Winzerei „Geil“ und Winzerei „Geil“ 2… ↩︎

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