Das Dilemma meiner Zeit: Arbeit nervt, vor allem wenn man keine findet, Geld ist geil. Ich liebe Geld ich möchte am liebsten die ganze Zeit Geld ausgeben. Ich möchte an warmen Sommerabenden im Biergarten sitzen und Biere bestellen und auf dem Nachhauseweg noch eine Pizza Margarita auf die Hand. Ich möchte am Wochenende Frühstücken gehen und zu besonderen Anlässen im Restaurant eine Flasche Schampus bestellen. Ich möchte nach dem Essen noch Espresso, Grappa oder Rum und Tiramisu, obwohl ich keinen Hunger mehr habe. Und dann möchte ich den nächsten Tag im Bett verbringen und dort Texte lesen und Schreiben.
Ich habe in letzter Zeit mein Bettbüro professionalisiert, indem ich mir einen enormen Schreibtisch ans Bett „gebaut“ habe. (Ich habe eine große Holzplatte auf eine Kiste gelegt.) So lässt sich unendlicher Abstellraum generieren und alles (Nötige) herrlich direkt neben meiner Liegefläche ablegen. Ich arbeite nämlich am liebsten im Liegen. Im Liegen fühle ich mich auch produktiver als im verkrümmten Sitz, geschweige denn an einem Stehschreibtisch, was mir als arbeiter*innenunfreundliches Konzept erscheint. Ich verstehe nicht, warum das Liegen, und das Liegen im Bett insbesondere, einen so schlechten Ruf genießt. Das Bett wird assoziiert mit Faulheit und mit Schlafen, Begriffe die, in unserer patriarchalen Gesellschaftsstruktur mit Abwertung verknüpft sind. Und die einen harten Kontrast zum trendigen Konzept Stehschreibtisch bilden.
Die einzige Flucht, die aus dem Bett unternommen werden kann, ist die unter die Decke. Aber wir wollen ja gar nicht fliehen, wir lieben das Bettbüro!
Vielleicht muss der Begriff Arbeit selbst nochmal geklärt werden. Im meinem näheren Umfeld gibt es im Verständnis von Arbeit unterschiedlichste Auffassungen, wobei sich vor allem drei unterschiedliche Typen herausarbeiten lassen:
Die: „Alles was ich tue ist Arbeit!“ Einstellung, die „Ich kann gar nicht anders, als die ganze Zeit nur zu arbeiten!“ Einstellung und die „Ich finde dich persönlich scheiße, weil ich jeden Tag 8 stundenlang im Büro sitze und mir „den Arsch aufreiße“ und du nicht!“ Einstellung.
Der erste Fall professionalisiert jede Tätigkeit mit dessen Kategorisierung als Arbeit. Es können Emails gelesen, Spaziergänge unternommen und dabei die Gedanken schweifen gelassen, oder Pflanzen eingetopft werden. Immer auf Arbeit. Tätigkeiten der Erwerbs- und Lohnarbeit werden damit nicht primär gemeint. Solche werden meist, tätigkeitsbeschreibend, extra benannt. Den Grundgedanken bildet dabei ein Verständnis von Arbeit, in dem alle Tätigkeit dem eigen- oder Gesamtwohl dienend, zum gesellschaftlichen Bestehen beiträgt. Neben der Erwerbsarbeit sind damit Care-Arbeit, häusliche- und organisatorische Arbeit gemeint.
Die Produktivkraft ist, in diesem Verständnis von Arbeit, ungefähr alles, was Mensch über den Tag verteilt so macht, außer schlafen (Wobei hier auch gerne produktiv-konnotierte Begriffe wie „Ausruhen“ oder „Energie Tanken“ genutzt werden.) und es ist ungerecht und misogyn, dass Erwerbsarbeit einen gesellschaftlich so viel höheren Stellenwert genießt und ausschließlich monetär entlohnt wird.
Die zweite Auffassung von Arbeit, die ich aus meinem näheren Umfeld kenne, ist die Fetischisierung von Arbeit, der Arbeit wegen. Arbeit ist Geil, Geld ist egal. Dabei bildet die Arbeit selbst den Lebensmittelpunkt und es gibt keine Verständnis, für Menschen die nicht (gerne) Arbeiten und ihre Talente nicht „einfach“ zu Geld machen. „Bürger*innengeld? Wozu? Geh doch einfach arbeiten!“
Arbeit ist ein großes Thema, und wer nicht arbeitet ist doof. Das symbolische Kapital wird dabei aus den unterschiedlichen Erwerbstätigkeiten gezogen; Menschen mit prestigeträchtiger, beruflicher Laufbahn sind cooler, als Menschen, die vor allem Arbeiten um damit Geld zu verdienen. „Gastro? Das könnte ich nicht. Das bringt mir glaube ich nicht so viel.“
Die dritte Auffassung von Arbeit aus meinem näheren Umfeld ist eine sehr klassische, die den öffentlichen, ehemals „männlich“ konnotierten Raum klar vom domestizierten, ehemals „weiblich“ konnotierten trennt. Diese Sichtweise ist ungefähr 100000 Jahre alt und stammt aus einer Jäger/Sammler*innen Argumentation. Daraus ergibt sich, dass die Arbeit, der „außer Haus“, also ehemals „männlich“ konnotiert, nachgegangen wird, mehr wert ist, als die Arbeit die im Häuslichen stattfindet und die neben der Erwerbsarbeit auch Care-, häusliche- und organisatorische Arbeit einschließt.
Daraus ergibt sich eine sexistisch geprägte Abwertung gegenüber dem „ZuHause“ (Ganz zu schweigen vom Bett), sowie eine Abwertung gegenüber Menschen, die (aus welchen Gründen auch immer) keiner Erwerbsarbeit nachgehen.
Der Job wird gleichgesetzt mit dem eigenen Selbstverständnis und jede Lebensführung neben dem nine-to-five-Büro-Job wird zur Bedrohung. Nach dem erfolgreichen Schulabschluss wurde maximal ein „Gap Year“ „genommen“, und dann eine klassische Karrierebahn eingeschlagen, auf der diverse Abschlüsse gesammelt wurden, die identitätsbildend beweisen, wer man jetzt „ist“. Man hat einen wohl verdienten Platz in einer Firma eingenommen, man arbeitet zu viel und stöhnt und ist direkt 10 Jahre älter geworden als man vorher war. Man verdient ungefähr 5000 euro im Monat (genaueres wird aber nicht verraten; über Geld spricht man nicht) und sitzt im Büro auf dem Po.
Leute, die keine Karriere verfolgen oder sich Streckenweise vom Staat unterstützen lassen, findet man prinzipiell kacke. „Ich reiß mir seit der Schule den Arsch auf und manche studieren Philosophie? Wollen die mich verarschen?“ Dann folgt natürlich der Nachtrag „Also ist ja voll gut. Das ist ja bestimmt auch anstrengend. Ich finds einfach spannend, wie unterschiedlich das Leben so gelebt wird.“ Lol. Wenn dann noch jemand Zeit hat, die Freizeit ihrer ehrenlosen, irrelevanten Karriere mit passionierten Hobbys zu füllen, kann man ruhig schon mal richtig sauer werden, wobei das kultivierte Alkoholproblem (weil man kennt die Namen von Wein und dudigen Schnäpsen wie Whiskey) noch nachhilft. Man fühlt sich in seiner Existenz als Versorger-Gattung bedroht und bekommt Stirnfalten. Weil, wenn gar nicht alle, in ihren Bürostuhl pupsend, den nine-to-five-dream leben, wozu tu ich mir den Scheiß dann eigentlich an?!
So gesehen lebe ich, als Studentin der Kulturwissenschaften und Hobbybloggerin ein gefährliches Leben in meinem Bettbüro. Oder sind es Männer in Führungspositionen, die es sich in ihrem Bürosessel zu gemütlich gemacht haben, die ein gefährliches Leben führen?
Ich würde gerne das Bettbüro normalisieren und ich würde gerne mit dem Schreiben dieses Blogs Geld verdienen. (Jemand eine Idee wie? Ich kann mir auch Werbung vorstellen, alles!) Bis dahin hätte ich gerne einen Job. Aber ich liebe mein Bettbüro und Ausschlafen und möchte mich nicht dafür rechtfertigen müssen.
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende an die arbeitende Leserschaft!
Xoxo und Cheers

Hinterlasse einen Kommentar