Guten Morgen liebe Gäst*innen!
Die Terrasse ist gefegt, die Geschichten der Amseln mischen sich mit der Musik, die leise aus dem Laden tönt. Gerade läuft „Ziggy Ziggy“ von den Cousines like Shit. Es wird synchron die frische Morgenluft weggeraucht und der erste Cosmopolitan wurde bereits serviert. Mittwoch Morgen im Roten Salon. Während ein Gast dabei ist, die Stockrosen mit seinem Filterkaffee zu bewässern, möchte ich gerne eine Faszination mit euch teilen. Die Faszination Fungi!
Es gibt keinen Lebensbereich, den der Fungus nicht beherrschen kann. Sei es auf der Pizza, im Wald oder am großen Zeh; der Fungus fungiert herausragend!
Dabei schafft er, woran man(n) meist scheitert; maximale Raumeinnahme bei geringster Dominanz.
Wer schonmal im Wald Pilze sammeln war, weiß was für ein nerviges Unterfangen das ist. Meist finden nur die anderen welche und die Pilz-suchende Anfängerin muddelt erfolglos und ungeduldig in gebeugter Haltung mit ihrem kleinen Messerchen über den Waldboden, das leere Körbchen baumelt traurig an ihrem Arm. Von meinem letzten (und ersten) Mal Pilzesammeln war ich völlig enttäuscht.1
Die augenscheinliche Abwesenheit des Fungus jedoch täuscht. In Wahrheit regieren Fungi, als basisdemokratisches Netzwerk, den gesamten Wald. Im flüsternden Nährstoff-Austausch mit den Bäumen und anderer Flora, fungieren Fungi chefig obwohl subtil. Sie bilden die wesentliche Kommunikation und Versorgung im Ökosystem Wald und sind wahrscheinlich das einzig regierende Regime, dass dabei unsichtbar bleibt. Sogar wenn es gesucht wird…
Somit sind Fungi, neben der Grundlage für eine leckere Rahmsoße, mehr queerfeministische Science Fiction, als Bodengewächs. Ihr Key ist die Kommunikation, der Motor die Gemeinschaft.2
Es folgt eine Sammlung besonders prominenter Fungi. Teilweise aus dem Internet und teilweise von meiner Camera Roll:

Auf diesem Foto (Quelle: Wikipedia) sieht die Leserin, den 2020 zum größten und schwersten lebenden Organismus der Erde gerankten „Hallimasch“. Der neun Quadratkilometer große, ungefähr 400.000 Kilogramm schwere und ca. 8.500 Jahre alter Pilz, führt ein bescheidenes Leben auf dem Boden von Oregon, USA.

Bei dieser Tiramisu-mäßigen Schichtung handelt es sich ebenfalls um einen Fungus. Prominent ausgestellt und von mir bewundert im belgischen Pavillon auf der Architektur Biennale 2023 in Venedig.
Hier wurde Fungi zu Bausteinen gezüchtet, um das Konzept Territorium neu zu denken und alternative Formen des Lebens mit, bzw. in Fungi zu konzipieren… Ich habe mich direkt auf die gedankliche Reise eingelassen und geflasht von dem Möglichkeitsraum Myzel den ganzen Tag im Pilzpavillon verbracht…
Als ich mir alles zum Thema Myzel durchgelesen habe, sehe ich wie die Pilzkulturen anfangen zu wachsen. Die anderen Besucher*innen und ich vernetzen uns und kommunizieren ohne Sprache miteinander.
Um uns herum wachsen Räume aus Fungi, die sich langsam in unserem Rhythmus bewegen. Oder wir in ihrem. Der Fungus kennt keine Grenzen und Türen; alle anderen Biennale Besucher*innen kommen einfach die ganze Zeit rein und gemeinsam lauschen wir dem Flüstern des Pilzes, als wäre es eine Soundinstallation. Wo eben noch ein Raum war ist jetzt ein Garten und als ich dort den letzten Rauch von meiner Zigarette verpuffen lasse, verpufft auch der Garten und ich stehe in einem gemütlich feucht und modrig warmen Schuppen. Dort kuschle ich mich in ein Bettchen aus Pilzen und träume wirre, begeisterte Telegram Nachrichten, die später als Erfahrungsbericht meines Biennale Besuchs bestehen… 
Hier der Klassiker aus dem Themenpark Fungi; Die Pizza Funghi. Mmhh, immer lecker, und sogar gesund!

(Foto aus dem Internet)
Der nächsten Fungi Darstellung blicke ich skeptisch entgegen. Man sieht ein Still aus der brutalen, fiktiven Zombi Serie The Last of Us. In dem Endzeit Szenario, in dem die Serie spielt, befällt ein Pilz so parasitenmäßig die Menschheit und rottet sie aus… (Dazu gibt es noch eine hetero-cis-männliche Heldengeschichte.) Trotz alledem wollte ich euch dieses Zeugnis eines popkulturellen Trends nicht vorenthalten.

(Foto aus dem Internet)
Die Themenlandschaft Fungi ist unendlich und lässt sich niemals erschöpfen. Genau wie der Fungus an deiner Badezimmerwand, wird sie sich immer weiter erstrecken und jeden Widerstand ignorieren. Fungi ist eine Lehrerin fürs Leben. Es sollten sämtliche Dinge vermehrt ai Fungi bestellt werden.
Und nun zurück zu eurem Frühstückskambucha oder eurer feierabendlichen Scheibe Sauerteigbrot mit veganem Pilzgulasch.
Zum Abschluss noch das beste Pils(z) und damit Prost, schönen Feierabend!
- An der dieser Stelle würde ich gerne ein Symbolfoto von mir und dem leeren Pilzkörbchen mit dem Messerchen im dichten Wald platzieren. Seltsamer Weise scheint mich tatsächlich niemand aus der Gruppe fotografiert zu haben. Offenbar hatten die anderen genug damit zu tun, eifrig die Pilze in ihren Körbchen zu stapeln… ↩︎
- Der Fungus verwendet nämlich eine bahnbrechende Subjektivierungsstrategie, in der alle Teilorganismen des Fungus sich als Subjekte in ihrer Position des Gesamtfeldes fühlen; es findet also eine Art bewusster Situierung im politischen Feld des Netzwerkes statt. ↩︎

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